Heute war ich Zeuge eines hochgradig spannenden Vorgangs, der sich – wie angenehm für den Beobachter – in mir selbst vollzog.
Seit Monaten, wenn nicht Jahren, moniere ich den Verlust von Attraktivität in der Fußball-Bundesliga. Es finden einfach zu oft Spiele wie Wolfsburg – Hannover oder Kaiserslautern – Freiburg statt. Gerade in dieser Saison, in der ja nun auch Augsburg (Augsburg!) die Bundesliga mit seiner Anwesenheit beehrt, waren die meisten Spieltage doch ziemlich öde. Trotzdem bleibt man ja seiner Passion, seiner Leidenschaft treu und pilgert so oft wie möglich in die freitagabendliche resp. samstag- resp. sonntagnachmittägliche Messe, also in eine der vielen Lokalitäten, in denen man in zum Schneiden dicker Luft schief angeguckt wird, wenn man kein Bier trinkt.
Irgendwie hat mich dabei allerdings in letzter Zeit allzu oft das niedrige Niveau oder die fehlende Identifikationsmöglichkeit (Mannschaften: s. o.) gestört. Dachte ich. Denn heute hatte ich ein Erweckungserlebnis. Das Angebot am Nachmittag war vielleicht einen Tick überdurchschnittlich, trotzdem erwartete mich u. a. Nürnberg – Freiburg und Dietmar-Hoppenheim – Kaiserslautern. Wenn ich sonst am gesegneten Samstag zuhause bin, entscheide ich mich für die Radio-Berichterstattung des rbb-Inforadios. Dort wird auf Musik verzichtet, während der Halbzeiten läuft bis auf die Nachrichten ausschließlich Fußball, zu ca. 75% live aus den Stadien. Doch heute hatte ich eine Eingebung. Ich entsann mich der großartigen Reportage des so gar nicht großartigen 1:2 von Bochum in Dresden, die ich bei 90elf gehört hatte. Also nutzte ich deren Übertragung, um die wichtigste Nebensache der Welt zu verfolgen.
Und ich lag so richtig! Die Männer im Studio und in den Stadien schafften es, selbst das Spiel aus Nürnberg packend zu kommentieren, die Dramatik und alles, was den Fußball so begeisterungswürdig macht, in den Äther zu schicken. Die Fangesänge waren klar zu hören, die Kommentatoren waren mit den Emotionen dabei, es fiel auch mal ein Satz wie: „Podolski geht alleine auf Wiese zu … und der ist dann natürlich abgewichst, an-ders-kann-man-es-doch-gar-nicht-sa-gen in der Fußballersprache.“ Sie schafften es, mich ganz für sich einzunehmen, mich zu fesseln. Das hatte ich schon lange nicht mehr erlebt!
Während ich also gebannt lauschte, musste ich darüber nachdenken, wie das kommt. Die Live-Situation konnte es nicht sein, die ist bei Sky ja auch geboten. Die lauter eingestellten Außenmikrofone? Die reine Konzentration für „auf’m Platz“? Die etwas ungeschliffene Sprache der Reporter? Ich glaube, es ist vor allem das lederne, schwarz-weiße, runde Herz, das ein jeder der Akteure von 90elf in sich trägt. Durch ihre Hingabe schaffen sie es, Fußball so zu präsentieren, wie er sein muss, bzw. wie ich ihn haben will. Die sterile Welt von Sky, die geleckten Moderatoren (Jan Henkel, Sebastian Hellmann), die meist unterirdisch kommentierenden Reporter (Marcel Reif-Ranicki), die ständige Präsenz von Werbung, Boulevard und Banalitäten ist daran schuld, dass Fußball im Pay-TV vielleicht mehr Menschen anspricht, aber dafür die FALSCHEN! Abgesehen davon, dass die Konferenzschaltung im Fernsehen in keinster Weise an den Charme herankommt, den eine Radio-Konferenz ausstrahlt.
(Der Fairness halber muss ich anfügen, dass besonders die Spiele in Bremen und Berlin, auch in Dietmar-Hoppenheim und Nürnberg eine gewisse Spannung lieferten, die nicht aufkommt, wenn Bayern gegen Freiburg (7:0) oder den HSV (5:0) spielt.)
Trotzdem haben mich die Jungs heute wieder auf den Pfad des bedingungslosen Glaubens an den Rausch des Fußballs zurückgeführt. Solltet auch ihr dieser viel zu weit verbreiteten Sky-haftigkeit der Bundesliga überdrüssig sein, dann lasst Euch demnächst mal samstags 15:30 (oder freitags ab 18:00 oder sonntags ab 13:30 oder montags 20:15) von 90elf überraschen!
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Ich gebe dir vollkommen recht. Die Kommentatoren im Fernsehbereich sind meist Schlaftabletten oder glorifizieren alles dermaßen (Steffen Simon lässt grüßen), dass man nicht mehr weiß, warum Novakovic letzte Woche noch “weltklasse” war, während er eine Woche später “Kreisklasse” ist. 90elf stellt da wirklich mit kleinerem Budget die besseren Reporter. Als TV-Kommentator taugt allenfalls Wolf Fuss von ran etwas, der auch die normale Fußballsprache versteht und einzusetzen weiß.