Spiegel Online spricht von „Neonazi-Terror“ und der „Zwickauer Terrorzelle“.
Bei der taz heißt es wahlweise „Nazi-Terrortrio“ oder einfach „Rechter Terror“ (Mit „Schwerpunktseite“).
Die FAZ informiert ebenfalls über die „Zwickauer Terrorzelle“ oder einfach das „Terror-Trio“.
Die Süddeutsche nennt die Täter zwar u. a. „Nazi-Bande“, verwendet aber auch alle weiteren Varianten (s. o. u. u.).
Die BILD-Zeitung ist es zwar, die sich fragt: „Rechter Terror oder pure Mordlust?“. Verwunderlich. Ist doch gerade Bild gerne dabei, wenn es die größten und erschreckendsten Überschriften zu gestalten gilt. Aber dann entdeckt man doch das Banner „RECHTER TERROR IN DEUTSCHLAND“ und die dazu gehörige „Themenseite“: http://www.bild.de/themen/organisationen/braunearmeefraktion/rechter-teror-in-deutschland-nachrichten-news-fotos-videos-20993484.bild.html Dies will ich ausgeschrieben stehen lassen, damit ihr auch die gesamte Pracht, die der Link in sich trägt (mit Fehlern), genießen könnt.
Nachdem wir uns nun einen Eindruck davon gemacht haben, wie die großen Repräsentanten der deutschen Presselandschaft drei oder mehr Nazis darstellen, die über Jahre an unterschiedlichen Orten ohne Bekennerschreiben ausländische oder ausländisch aussehende Mitbürger umgebracht haben, kommen wir zurück zur Frage: Terror?
Irgendwie gefällt mir die Art und Weise nicht, wie mit diesen ohne Frage schlimmen Ereignissen – der Gründung einer gewaltbereiten „Untergrund“-Gruppe, der Organisation von Morden und die Möglichkeit, jahrelang unterzutauchen und unerkannt zu bleiben – umgegangen wird. Denn die Wortwahl der „Vierten Gewalt“ wirkt sich direkt auf den Bürger aus. In kürzester Zeit wird von „dem Terror“, „der Terror-Gruppe“ oder „den Terroristen“ gesprochen. Dies geschieht der Einfachheit halber oder aus der Überzeugung heraus, dass es sich hier wirklich um Terror handelt.
Ich muss sagen, dass ich genau diese „Begriff-Schluderei“ nicht nur nicht angemessen finde, sondern sie auch als für den freien Meinungsbildungsprozess und die gesellschaftliche Entwicklung kontraproduktiv, wenn nicht gefährlich erachte.
In einem Artikel für Lettre setzt sich Marcel Hénaff mit „Terror und Rache“ auseinander (Auszüge). Er spricht im Zusammenhang mit der Berichterstattung über den „Terror“ der Al-Qaida von „inadäquatem Vokabular, denn das Problem ist nicht der Terror, sondern der Terrorismus“. Eine so ungenaue Begriffsverwendung führe zu einer „Manipulation der Angst“: „Wenn es also stimmt, dass Terror etwas anderes ist als Terrorismus, und wenn wir davon ausgehen, dass ihre Vermischung nicht auf einer bewussten Vermengung durch die Regierenden und die Medien beruht – was zynisch wäre –, dann zeugt sie zumindest von intellektueller Faulheit“.
Denn Terror ist im eigentlichen Sinn der Schrecken, als politischer Begriff taucht „terreur“ ab der französischen Revolution auf. Terrorisieren („terrorisier“), ebenfalls zu der Zeit entstanden (1796 erstmals in einem Wörterbuch), bedeutet hingegen Angst und Schrecken verbreiten, also intentionales Tun. Die damit verbundene politische Aktivität wurde „terrorisme“ (1794) genannt.
Hénaff bietet eine Typologie an, in der er vier unterschiedliche Formen von Terror oder Terrorismus benennt. Das, was im Moment für so großes Aufsehen in Deutschland sorgt, muss nach seiner Analyse, wenn überhaupt, dem „Terrorismus im eigentlichen Sinne“ zugeordnet werden. Dieser will demnach „Terror erzeugen“ mit der Konsequenz, dass sich „jedermann zu jeder Zeit und an jedem Ort“ gefährdet fühlt.
Genau hier setzt ein Artikel auf Telepolis an. Unter dem Titel „Ist das Terror?“ hebt er darauf ab, dass in quasi jeder Definition von „Terror“ eine Angst gemeint ist, die sich auf die Breite der Gesellschaft erstreckt. „Nun wurde aber die Mitte der deutschen Gesellschaft durch die “Döner-Morde” keineswegs in Furcht und Schrecken versetzt“, was das „reflexhafte Nicht-Denken bei der Verwendung politischer Begriffe“ zeige. Von „Terror“ und „Terrorismus“ sei zu sprechen, wenn es „uns allen“ Angst macht. Dies sei hier jedoch nicht der Fall! Bei den Ermordeten handelt es sich um Angehörige einer Minderheit.
Unter dieser Bevölkerungsgruppe wurde sicherlich Angst verbreitet, auch weil es keine Bekennerschreiben und daher keinen identifizierbaren Verursacher der Gewalttaten gab. Dies ist schrecklich und es ist zu fragen, was der Staat tut gegen einen immer selbstbewusster auftretenden Nationalismus, der die Gewaltbereitschaft fördert. Die wiederholte Kürzung des dafür vorgesehenen Budgets hilft garantiert nicht bei dem Versuch, rechtes Gedankengut einzuschränken und Nazis jedweder Couleur innerhalb der Gesellschaft zu isolieren.
Doch sind die besprochenen Vorkommnisse als Terror zu bezeichnen? Gerade „Terror“, das Wort, das seit 9/11 so sehr missbraucht wurde („Krieg gegen den Terror“ – Krieg gegen die Angst?) sollte vorsichtiger verwendet werden.
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