Ich bin wütend. Ich bin geschockt. Ich bin fassungslos. Und das seit Monaten.
Bei dem, was man in der letzten Zeit aus dem Munde von Alexander Dobrindt, seines Zeichens Generalsekretär der CSU, hört, muss man sich langsam fragen: Geht es dem Mann noch gut? Handelt es sich bei ihm um einen kalkulierenden Demagogen, einen Populisten oder ist er angesichts der vielfältigen und seine Kompetenzen unter Umständen übersteigenden Anforderungen einfach durchgedreht?
Klar ist: Alexander Dobrindt dreht völlig frei! Was dieser Hetzer von sich gibt, geht auf keine Kuhhaut mehr. Wird der Mann nicht schnellstmöglich von seiner Partei zurückgepfiffen, verliert die deutsche Politik in Europa auch das letzte bisschen Ansehen (genug dafür getan haben die Leute um Philipp Rösler und Horst Seehofer ja schon). Wobei es mir persönlich gar nicht besonders darum geht, wie „meine“ Regierung im Ausland wahrgenommen wird. Was ich viel schlimmer finde, ist die Art und Weise, mit der Leute wie Dobrindt und Wilfried Scharnagl (zu diesem geschätzten Herren später, ein “Weckruf” seinerseits hier) konsequent daran basteln, die Solidarität, das entscheidende Prinzip für eine funktionierende (politische) Union/Gemeinschaft/Zusammenarbeit, nicht nur zu diskreditieren, sondern als Prinzip aufzukündigen!
Es ist unsäglich und unerträglich, in welcher Art und Weise die deutsche Regierung in der letzten Zeit mit den europäischen „Partnern“ umspringt. Zunächst werden die angeschlagenen Staaten (die sicherlich eine gewisse Mitschuld an ihrer Situation tragen) an den öffentlichen Pranger gestellt, dabei sowohl von einem Teil der Journaille, als auch der politischen Klasse das Bild des faulen Südeuropäers gezeichnet, also einer Gesamtbevölkerung ein Stempel aufgedrückt (und ganz nebenbei ein Feindbild/Sündenbock kreiert, auf den man am Stammtisch wunderbar schimpfen kann). Danach werden ihnen Sparprogramme aufgezwungen und damit die Konjunktur abgewürgt, die Armut vergrößert, ganze Branchen in den Ruin getrieben, denn die Posten, von denen die Sozialschmarotzer Griechenlands et al. in so raffgieriger Weise profitieren und an denen man immer weiter sparen muss (Stichwort “alternativlos”), liegen selbstverständlich im „völlig aufgeblähten“ Sozialsystem: Erst anschwärzen, dann in Geiselhaft nehmen, bankrott sparen lassen, für ein soziales Desaster sorgen und schließlich rausschmeißen!
Dass es zu Letzterem noch nicht gekommen ist, ist angesichts der ständig wiederholten Aussagen bestimmter Regierungspolitiker fast überraschend. Die Äußerungen, mit denen von deutscher Seite gegen ganze Bevölkerungen Stimmung gemacht wird, sind dabei teilweise an Kurzsichtigkeit, Intoleranz, Asozialität und einfach Dummheit nicht zu überbieten. Besonders der erwähnte Herr Dobrindt hat sich in meinen Augen unsterblich lächerlich gemacht mit der Bekanntgabe: „Wir müssen als Deutsche auch in Zukunft klare Kante gegen die Begehrlichkeiten der Schuldenländer zeigen, die auf die deutschen Steuergelder schielen, statt endlich selbst ihre Haushalte in Ordnung zu bringen… Europa muss wieder ein Club der Leistungsbereiten und der Leistungsstarken werden.“ Dass er jetzt den EZB-Präsidenten beschimpft und offensichtlich auch entgegen der Vorgaben „von oben“ mit Demagogie und Brandstifterei hausieren geht, ist nur die logische Folge und hoffentlich einer der Nägel zu seinem politischen Sarg. Dass er von Andrea Nahles richtigerweise „Stammtischkasper“ genannt wird, ist einfach zu harmlos. Dass Guido Westerwelle (!) sagt, „die deutsche Axt“ werde „zum Bumerang“ ist schon mal ein Ansatz, aber die Verantwortlichen dabei, Herrn Dobrindt zu stoppen, sind Angela Merkel und Horst Seehofer!
Es ist ekelhaft. Deutschland profitiert wie kein zweites Land der EU von der Währungsunion und der europäischen Integration (die ja in erster Linie eine wirtschaftliche ist, zu mehr hatten die Granden ja noch nie den Mut). Gleichzeitig wird mit einem absolut falschen Mittel (das schlimme Wort von der “Austerität”, ebenfalls “alternativlos”) versucht, die Schieflagen der Euro-Haushalte zu heilen (ich muss auf den Fall Brasilien hinweisen, das noch Mitte der Neunziger tief im wirtschaftlichen Schlamassel steckte und wo ein staatliches Ausgabenprogramm dazu geführt hat, alle Bereiche anzukurbeln und das Land heute zu den Aufsteigern der Weltwirtschaft zählen lässt). Nur in Deutschland nicht, da wird weiter heiter ausgegeben. Aber „wir“ haben unsere Hausaufgaben ja auch gemacht.
Man weiß einfach nicht mehr, wie man seine Bauchschmerzen Europa betreffend in den Griff bekommen soll. Ist es wirtschaftspolitische Blindheit? Der Versuch, sich als Alleinherrscher in Europa zu profilieren (womit man richtig auf die Nase fallen wird)? Oder ist man in der Regierung derart überfordert, dass man jegliches politische Geschick verloren hat? Das wäre übel und hätte nur eine Konsequenz: Abtreten! Und zwar alle!
Als Fußnote möchte ich noch dringend auf das Buch von Wilfried Scharnagl hinweisen, das bei dem angesehenen und renommierten Wissenschaftsverlag Bastei-Lübbe erschienen ist und den schönen Titel trägt: „Bayern kann es auch allein“. Darin führt Scharnagl als eigentlich einziges Argument die Ungerechtigkeit des föderalen Solidaritätsausgleichs an (von dem Bayern jahrelang sehr gut gelebt hat) und plädiert für einen Austritt Bayerns aus der BRD und der EU. Ein sehr interessanter Ansatz, und so realitätsnah.
Sowohl bei Dobrindt, als auch bei Scharnagl hat man das Gefühl, für den kurzfristigen Erfolg bei Wählerumfragen („der Wähler“ ist ja via Bild und anderer sehr empfänglich gemacht worden für solcherart Populismus) wirklich wichtige und große Werte wie Solidarität, Toleranz und Miteinander aufzukündigen und die Saat eines nationalistischen Grundtones und überschätzten Selbstverständnisses auszubringen. Wer die dann erntet (wenn nicht, wie in Bayern die CSU) wird man sehen.
Ich muss zum Schluss noch einmal deutlich werden und einen berühmten Satz zitieren, der mir immer wieder in den Sinn kommt, wenn ich diese Volksverhetzer und Brandstifter in den Medien wahrnehmen muss:
„Man kann gar nicht so viel fressen, wie man kotzen möchte!“
Danke Flo!
Meine lange Abwesenheit hat mich einiges nicht mitbekommen lassen, jetzt fasst du das Entsetzen zusammen mit dem ich dann der Aussagen und Geschehnisse begegnet bin, die ich – unpolitisch wie ich bin – aus einem mir nicht immer ganz verständlichen Grund nachzuholen geglaubt zu habe.