Eine Exkursion führte mich – nach den Besuchen in Ludwigslust und Weimar – im Juni ein drittes Mal heraus aus Berlin und direkt hinein in den Landkreis Oder-Spree: Auf nach Eisenhüttenstadt!
Diese im äußersten Osten der “Mark Brandenburg” gelegene Gemeinde (knapp südlich von Frankfurt, Oder?) hat eine ganz spezielle Geschichte: Auf dem dritten Parteitag der SED 1950 wurde beschlossen, bei dem Dorf Fürstenberg das so genannte Eisenhüttenkombinat Ost anzusiedeln – logistisch eine zweifelhafte Entscheidung, gibt es dort doch kaum Erze und eher Braun- als Steinkohle (beides musste aus sozialistischen Bruderländern beschafft werden). Noch 1953 hatte “Schrottgorod”, wie es später mitunter liebevoll genannt wurde, nur 2400 Einwohner, durch eine effiziente Ansiedlungspolitik aber 1960 schon über 24000. Das riesige Stahlwerk war DER Arbeitgeber in der Stadt, die als erste Planstadt der DDR gilt (die anderen sind Hoyerswerda und Schwedt). Eisenhüttenstadt ist zwar grob als Gesamtplan entstanden, die einzelnen “Wohnkomplexe” allerdings erst nach und nach, so dass sich die einzelnen WKs architektonisch voneinander unterscheiden und man die Paradigmenwechsel im Baustil nachvollziehen kann. Als Randbemerkung soll nicht unterschlagen werden, dass Fürstenberg, wie die Kommune zunächst weiterhin hieß, nach dessen Tod und zu seinen Ehren in “Stalinstadt” umbenannt wurde, allerdings schon 1961 im Zuge der “Entstalinisierung” in Eisenhüttenstadt.
Zur Zeit der Wende hatte “Iron Hut City” über 50000 Einwohner, doch hier wurden die versprochenen “blühenden Landschaften” eine Art Alptraum: Das Werk schrumpfte, die Produktion wurde teilweise eingestellt, teilweise verlagert und anstelle permanenten Ruß- und Qualm-Aufkommens eroberte sich die Natur ganze Teile des Eisenhüttenkombinats Ost zurück. Heute steht die Stadt vor einer demografischen Zäsur, laut Prognosen werden 2030 45% der Bevölkerung über 65 Jahre alt sein und noch 1500 Menschen unter 15. Wer kann, zieht weg, wer bleibt, kann nur noch bewahren, nicht mehr aber voranbringen. Heute leben in Eisenhüttenstadt noch 30000 Menschen…
Alle Fotos: © Florian Kuhne
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Florian, sehr gut geschrieben und treffend beschrieben:”Wer kann, zieht weg, wer bleibt, kann nur noch bewahren, nicht mehr aber voranbringen.”
Leider finden sich immer mehr Regionen, die der Verwüstung preisgegeben werden, weil sie an der Entwicklung des Landes nicht mehr teilnehmen. Ganz ähnliche Eindrücke finden sich im westlichen Oberharz oder Teilen des Ruhrgebiets.
Da stellt sich die Frage, wie die Bundesrepublik in 20 bis 30 Jahren aussehen wird. Manche wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen kann man und will man oft auch nicht umkehren.
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WIE KANN MAN EINE STADT SO VERKOMMEN LASSEN….
BIN DORT GROSS GEWORDEN U FIND ES NUR TRAURIG WAS DORT PASSIERT…
Frage nicht, was andere für die Stadt machen sollten, sondern was DU für “Deine” (ehemaligen) Stadt machen könntest…